Tore, Spannung, Abwechslung und heiße Stühle (Teil I)

Tristan Strothmann
6 min readAug 4, 2021

Welcher Verein im deutschen Profifußball war in den letzten zehn Jahren der aufregendste?

Was macht einen Fußball-Verein aufregend? Diese Frage wird wahrscheinlich jeder Fan für seinen Club anders beantworten. Die einen mögen es, dass ihr Club viel gewinnt und Titel erringt, die anderen ziehen ihre Begeisterung aus anderen Faktoren. Und jede:r wird mindestens ein Argument finden, warum ihr/sein Verein prinzipiell der aktuell spannendste und aufregendste ist.

Wie oft stand ich schon auf den Rängen der Bielefelder Alm und habe die immer knappen Spiele verflucht, bei denen der Sensenmann mir von hinten leise ins Ohr flüstert: „Schönes 2:0 habt ihr da. Wäre doch schade um deine Gesundheit, wenn jetzt zehn Minuten vor Schluss der Anschlusstreffer fiele, oder?“ Andererseits ist es auch wieder genau das, was mich immer wieder ins Stadion treibt: „Geht es heute gut aus?“ Und dabei ist es mir persönlich egal, ob der Gegner Borussia Dortmund, Hessen Kassel oder FC Hasenpatt heißt. Gefühlt ist alles beim eigenen Verein halt immer aufregender und spannender als bei anderen Vereinen, die immer alles so langweilig souverän gewinnen oder einfach nur sang- und klanglos verlieren.

Und immer da wo viel von Gefühlen gesprochen wird, versuche ich grad Fakten beizusteuern. Deshalb habe ich nun den Versuch unternommen, die Profivereine der ersten bis dritten Liga mit Hilfe einer Handvoll Kriterien so objektiv wie möglich zu bewerten, um die Frage zu klären:

„Wer war im deutschen Fußball der aufregendste Profiverein der letzten zehn Jahre?“

Zuallererst sei gesagt, dass dies hier wieder einmal nur eine Diskussionsgrundlage sein soll. Ich habe jetzt mit ein paar Daten angefangen. Es gibt sicherlich noch eine Vielzahl weiterer Faktoren, die für die Beantwortung dieser Frage herangezogen werden könnten. Von daher sehe ich das hier auch als eine Art Gemeinschaftsprojekt. Schreibt mir gern hier oder bei Twitter (@tristanteuto) weitere Ideen, welche Daten noch (im wahrsten Sinne des Wortes) spannend sein könnten. Vielleicht finden wir ja gemeinsam nach und nach DIE hieb- und stichfeste Antwort auf die Eingangsfrage. Für den Anfang schmeiße ich erstmal fünf „Excitement Score“-Kriterien in den Ring. Um diesen Blog-Artikel nicht zu lang werden zu lassen, werde ich diese Scores in vier Beiträge unterteilen.

Eine Einschränkung gleich zu Beginn. Berücksichtigt habe ich nur Vereine, die mindestens in sechs der letzten zehn Spielzeiten in einer der ersten drei Ligen gespielt haben.

TEIL 1 — Tore und Tordifferenz

Ein gemeinsamer Nenner aller Fußballfans ist sicherlich, dass sie ins Stadion gehen, um Tore sehen zu wollen. Daher liegt es nahe, mit der Anzahl Treffer, die in einem Spiel des zu bewertenden Vereins fallen, anzufangen.
Dafür habe ich jede Partie eines Vereins wie folgt bewertet: Fiel in einem Spiel kein Tor, gibt es 0,2 Punkte für dieses Spiel. Fiel nur ein Tor, dann 0,4, bei zwei oder drei Toren 0,6, bei vier oder fünf Toren 0,8 und bei mehr als fünf Treffern 1,0 Punkte. Die Bewertung erfolgt auf Saisonbasis, so dass ich die Gesamtsumme der Punkte durch die jeweilige Anzahl an Spieltagen der jeweiligen Saison teile. So bleibt es in der Hinsicht auch fair zwischen der ersten und zweiten Bundesliga (34 Spieltage) und der dritten Liga (38 Spieltage).

Gucken wir uns als erstes an, was die Top und Flop 5 der letzten 10 Spielzeiten waren:

Ein überraschendes Ergebnis? Ich vermute erstmal nicht. Dass es bei den Bayern in den letzten zwei Spielzeiten ordentlich „gescheppert“ hat, ist wahrscheinlich noch allen im Gedächtnis. Und bei den Flops sieht es nach viel Abstiegskampf und Beton anrühren aus.

Wie sieht nun die Top und Flop 10 der letzten Jahre aus, wenn wir von allen Spielzeiten der Vereine den Durchschnitt nehmen. Dies soll dann der erste Excitement Score für unsere Bewertung sein.

Ein Ergebnis, welches auf den ersten Blick ebenfalls keine großen Überraschungen bereithält. Ich persönlich hätte zwar Unterhaching und Regensburg nicht in den Top 10 vermutet, habe aber auch den Werdegang dieser zwei Vereine in den letzten Jahren nicht allzu detailliert verfolgt (außer einem gewissen 0:6 von Regensburg in Bielefeld). Auf den hinteren Rängen sind ebenfalls keine Kandidaten, die ich auf Grund überragender Offensiv- oder katastrophaler Defensivleistungen hier nicht vermutet hätte (außer einem gewissen 0:6 von Braunschweig in Bielefeld).

Aber sind die Anzahl der Tore allein ein Grund zu sagen, „bei diesem Verein ist immer was los“? Sind ständige 6:0 oder 0:6 nicht auch auf Dauer langweilig? Kann ein 1:0 oder 1:1 nicht manchmal viel mehr Aufregung beinhalten als ein Kantersieg? Wie sieht es also aus, wenn wir uns die „Knappheit“ bzw. Tordifferenz der Begegnungen eines Vereins angucken. Dazu habe ich folgende Berechnung zu Grunde gelegt: Gab es ein Unentschieden oder einen Sieg bzw. Niederlage mit einem Tor Differenz, habe ich 1,0 Punkte vergeben, bei zwei Treffern Differenz 0,8, bei drei 0,6, bei vier 0,4 und bei fünf oder mehr 0,2 Punkte.

Auch hier gucken wir als erstes wieder auf die Top und Flop 5 der letzten 10 Spielzeiten:

Und hier dreht sich das Bild erwartungsgemäß um. Bayern und Dortmund sind eher für deutliche Siege bekannt und dementsprechend hier am Ende der Tabelle.

Wie sehen hier nun die Top und Flop 10 aus, wenn wir uns den durchschnittlichen Score über die letzten zehn Jahre angucken?

Die Top und Flop 10 der insgesamt 46 Vereine, die in die Bewertung mit eingeflossen sind, sind gar nicht so weit auseinander. Lediglich der FC Bayern sticht in Sachen Tordifferenz etwas „negativ“ aus der Masse hinaus.

Wie sieht nun die Top 10 aus, wenn wir diese beiden Scores zusammen betrachten? Dafür habe ich zunächst erstmal die beiden Scores „standardisiert“. Hierfür habe ich die jeweiligen Saisondurchschnittswerte der einzelnen Vereine durch den Höchstwert des jeweiligen Scores geteilt. So ist der Bestwert immer eine 1,0 und der Rest verteilt sich darunter (z.B. beim Tordifferenz-Score ist der 1,0-Wert der 0,906-Wert der Würzburger Kickers). Die daraus resultierenden Werte werden dann pro Verein addiert und durch zwei geteilt. Daraus ergibt sich nach den ersten beiden Scores folgende Top 10.

Hoffenheim und Jahn Regensburg wären gefolgt von Werder Bremen hiernach die aufregendsten Vereine der letzten 10 Jahre, während Bayern, Aue, der KSC und Sandhausen eher für Langeweile stünden.

Aber reichen diese beiden Kategorien aus, um mit diesen wirklich den aufregendsten Profiverein der letzten zehn Jahre zu küren? Die Abstände sind schon relativ gering zwischen den Tops und Flops.

In Teil 2 meiner Auswertung kommt deshalb eine weitere Kategorie hinzu, die zumindest Bayern-Fans wieder etwas beschwichtigen dürfte …

Weiter zu Teil 2.

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